Der Druck zu mehr Nachhaltigkeit und eine immer stärker vernetzte Wirtschaft stellen Supply-Chain-Management vor neue Herausforderungen. Das lässt spannende Jobs entstehen, erklärt Logistik Experte Franz Staberhofer.
Franz Staberhofer
Obmann Verein Netzwerk Logistik © Foto: FH OÖ/Logistikum
Was sind die großen aktuellen Herausforderungen der Branche?
Aufgrund
der wirtschaftlich günstigen Situation war eine der größten
Herausforderungen der letzten Jahre sicherlich der Personalmangel. Im
Moment geht es vermehrt darum, mit der sich abkühlenden Konjunktur
umzugehen. Man merkt auch, dass das Thema Nachhaltigkeit die Ebene der
Lippenbekenntnisse verlassen hat. Mittlerweile gibt es für das Thema
seitens der KundInnen deutlich mehr Akzeptanz und man geht daran,
gemeinsam entsprechende Projekte umzusetzen. Aktuell sehe ich darum für
Logistik Dienstleister auch die Chance mit notwendigen, alternativen
Konzepten zu punkten.
Wie lässt sich mehr Nachhaltigkeit in der Logistik herstellen?
Da geht es einerseits um alternative Antriebskonzepte mit sinnvoll eingesetzten Alternativen wie E-Mobilität, Wasserstoff oder Flüssiggas. Da braucht es klar fertig gedachte Einsatzmöglichkeiten, statt wahlgetriebener und so nicht realisierbarer Aussagen. Ein weiter Punkt sind alternative Distributionskonzepte. Im Moment stehen möglichst kurze Durchlaufzeiten im Vordergrund. Solange Waren binnen desselben Tages vor Ort sein müssen, lässt sich die CO2-Belastung nicht in den Vordergrund rücken. Wenn sich Industrie, Handel und Dienstleister auf längere Durchlaufzeiten einigen würden, würde das eine Steigerung der Füllgrade, das gemeinsame Nutzen von Transportraum und einen effizienteren Mix von Verkehrsträgern möglich machen. Das Transportvolumen ist eine weitere Stellschraube – gerade im Endkundenbereich: Das Paket-Wachstum liegt je nach Sparte zwischen 10 und 30 Prozent. Da sollte man nicht allein auf die Vernunft der Menschen setzen, sondern verpflichtende Kosten für Lieferungen fordern. Das und die Verzollung aller aus China importierter Waren würde das Paketaufkommen im Endkundenbereich eindämmen. Logistik ist einfach eine Leistung und damit etwas wert. Dieser Wert soll auch bezahlt werden.
Wie verändert die Digitalisierung die Branche?
Viele Logistik-Dienstleister sind bereits jetzt sehr weit: Von der Transparenz, die Tracking-Services bieten, können sich viele andere Branchen einiges abschauen. Was langsam im Kommen ist, ist die Nutzung digitaler Technologien, um eine höhere Übergaberate beim Endkunden und damit eine CO2-Reduktion zu erreichen. Dazu müssen die Endkunden aber willens sein, ihren Standort via Smartphone mitzuteilen. Die meisten Menschen laden gedankenlos irgendwelche Apps herunter, denen sie Zugriff auf ihren Standort geben. Die Bereitschaft, diesen mit österreichischen Unternehmen zu teilen, ist aktuell aber noch gering. Im Unternehmensbereich kann die Digitalisierung helfen, Transporte effizienter zu gestalten. Einen großen Hebel halten sicherlich die unternehmensinternen Supply-Chains von Industrie und Handel bereit. Aber auch die Zusammenarbeit mit Logistikdienstleistern ist ausbaubar: Im Moment besteht diese vor allem darin, endlos Beförderungstarife zu verhandeln. Mit einer tatsächlichen Zusammenarbeit könnte man die Ökobilanz deutlich verbessern. Etwa indem man die Fertigstellung von Waren bereits früher per digitaler Schnittstellen ankündigt. Das würde es Logistikanbietern erlauben, Transportkapazitäten deutliche effizienter zu nutzen.
Warum sollten sich junge Menschen für diese Branche interessieren?
In der Vergangenheit war die Hauptaufgabe zu guten Kosten Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Heute ist die Supply-Chain aber um ein vielfaches komplexer. Verantwortlich dafür ist die steigende Vernetzung der Wirtschaft, aber auch, dass immer mehr Unsicherheiten und Unregelmäßigkeiten dazugekommen sind: Naturkatastrophen und Umstände durch die politische Entwicklung. Mit dem Maß der Unsicherheit steigt auch der Bedarf an Supply-Chain-Management. Ich gehe davon aus, dass man sich jetzt ernsthaft dem Thema Nachhaltigkeit widmen wird. Wer im Supply-Chain-Management arbeitet, kann zu den Lösungen der aktuellen Herausforderungen beitragen und etwas Spannendes machen, wenn man das mag. Wenn man die Bereitschaft mitbringt, sich weiterzubilden und neue Fertigkeiten zu erwerben, hat man auch sehr gute Chancen, langfristig im Job zu sein. Supply-Chain-Management wird es immer geben, aber die Art und Weise, wie Logistik funktioniert, verändert sich ständig.