Die Landwirtschaft braucht ein besseres Image, im Sinne realitätsnaher und ehrlicher Darstellungen. Darüber sind sich David und Peter Kargl, selbst Marketing-Profis und Landwirte, einig. Wie das gelingen könnte, erzählen sie im Interview.
Der Kühbreinhof im steirischen Murtal ist ein landwirtschaftlicher Milchviehbetrieb, der seit 25 Jahren „bio“ ist. Mittlerweile hat der Betrieb zwei Standbeine: Die Landwirtschaft, die von Davids und Peters Eltern betrieben wird (Milchwirtschaft), und die Mostproduktion unter dem Markennamen „Kühbrein Most“, die Peter und David, sowie dessen Freundin Beate, verantworten und deren Erfolg zuletzt von einem Auftritt in der TV-Show „2 Minuten 2 Millionen“ auf Puls 4 gekrönt war.
Die Landwirte waren zuletzt immer in der Defensive, haben kein Sprachrohr bekommen, um sich selbst zu diversen Brennpunkten zu äußern. Was sagt ihr als „junge Generation“ dazu?
David: Der Landwirt ist ein Unternehmer – so wird er aber nicht dargestellt. Wenn der Landwirt nicht bei einem Wettbewerb gewonnen hat, bekommt nicht er die „Props“, sondern der Handel. Wenn der Handel einen großen Treffer landet mit nachhaltiger Milch, dann ist das darauf zurückzuführen, dass der Landwirt die Leistung erbracht hat.
Peter: Jedes Unternehmen hat eine Marketingabteilung oder eine CSR-Abteilung. Dieses Department sollte darüber informieren, wie das Unternehmen „die Welt verbessert“. Diese Abteilung hat der Landwirt zumeist nicht. Somit kann er den wichtigen Beitrag, den er für die Gesellschaft leistet, nur bedingt mitteilen. Das Problem dabei ist, dass den KonsumentInnen zum Teil verzerrte Informationen zugespielt werden. Um das besser zu veranschaulichen, nehmen wir die Value-Chain von einem Milchlieferanten als Beispiel. Der Bauer liefert an die Molkerei. Die Molkerei verarbeitet die Produkte und liefert es an den LEH. Der LEH dreht dann einen urigen Bilderbuch-Spot und zeigt die heile Welt, dass es allen Landwirten ja tadellos geht und billigste Preise und märchenhafte Landwirtschaft kein Widerspruch sein müssen. Falsch gedacht. Das ist es aber. Durch dieses erklärte Szenario gibt es nur wenig Interaktion zwischen Produzenten und Konsumenten, was eben in einer Kommunikationslücke mündet. Weiterführend bedeutet es, dass die „Erzeuger-Message“ beim Konsumenten verzerrt ankommt und in Botschaften in der Werbung mit Blumen und Schmetterlingen oft nicht der Realität entsprechen. Natürlich gibt es in Österreich tolle Pionierbetriebe, die sich durch Biodiversität, Artenvielfalt auszeichnen und kleinbäuerliche Strukturen aufweisen. Aber wenn dann in der Werbung die heile Welt gezeigt und Hühnerfleisch um 3 €/kg verkauft wird, darf man nicht so naiv sein und denken, dass dieses Tier tatsächlich in der Blumenwiese seinen Lebtag verbrachte. Die Rechnung geht nicht auf.
Was sind aus eurer Sicht die Hürden in der Landwirtschaft?
David: Die Landwirtschaft kann nur dann überleben, wenn der Konsument bereit ist, einen fairen Preis zu bezahlen. Dazu muss er sich folgende Fragen stellen: „Wo kommt das Produkt her?“ oder „Wie ist das produziert worden?“ Damit könnte man viele Probleme lösen: Es würde den CO2-Abdruck von jeglichen Lebensmitteln verbessern. Dann kann ein Gastwirt das Fleisch nicht mehr im Großhandel kaufen, sondern beim heimischen Bauern, weil die Nachfrage dahin geht. Das lässt sich auf alle Lebensmittel übertragen. Wenn die Leute regionaler und bewusster einkaufen würden, dann würde das eine Kettenreaktion auslösen, die man mit politischen Maßnahmen nur schwer erreichen kann.
Most ist ein eher bodenständiges Getränk. Euren Cider gibt es nun in vielen hippen Lokalen wie im Guesthouse in Wien. Wie gelang euch die Verjüngungskur?
David: Die Leute kennen Bier und Spritzer zur Genüge und sind offen für Neues. Da kommen wir ins Spiel. Wir produzieren Most und Cider in höchster Qualität, und wenn das noch in einer schönen Verpackung präsentiert wird, die mindestens gleich wichtig wie das Produkt ist, dann spricht das die Menschen an. Altes Handwerk neu gedacht, das versuchen wir zu transportieren.
Peter: Der Cider ist ein sehr guter Türöffner. Cool, trendig, unbehaftet. Wenn du z.B. im Kunsthaus-Café in Graz dein Produkt platziert hast – und das ist wirklich eine Top-Location – dann ist das schon ein großer Erfolg. Denn der Kunde denkt sich: „Das muss ein Top-Produkt sein, sonst würde es so eine Location nicht ins Sortiment nehmen.“
David: Vor 10 Jahren haben wir zu tüfteln begonnen. Mit einer Sorte Most, in einer plumpen Flasche. Und dann hat ein Jahr das nächste ergeben. Seit vier Jahren setzen wir auf sortenreinen Ausbau und haben vier verschiedene Sorten Most, zwei Sorten Cider, Apfelschaumwein, Apfelsaft. Seit damals sind Peter und meine Freundin Beate an Board. Das wäre allein nicht mehr machbar gewesen. Ich kümmere mich um die Produktion, Kellerarbeit und Teile vom Marketing. Peter ist durch sein Kommunikationsgeschick unser Salesmanager und verantwortlich für Marketing & Social Media. Beate ist spezialisiert auf die Ausrichtung unserer Events und die Kundenbetreuung.
Unsere Verkaufsstrategie war immer, uns so interessant zu machen, dass der Gastwirt, Wiederverkäufer oder ein Konsument zu uns kommt und das Produkt will, weil es einfach cool ist. Das ist die nachhaltigste und beste Version zu verkaufen, aber auch die schwierigste.
Warum sollte man regional kaufen und was passiert, wenn man es nicht tut?
Peter: Wenn ich nach Regionalität frage, wird der kleine Bauer hellhörig. Dann wird das Kleinbäuerliche, was für Österreich noch typisch ist, erhalten. Weil ihn eben die Region unterstützt. Ein Betrieb mit 20 Hektar, der in einer gesteigerten Höhe liegt, kann niemals den Hektarertrag haben, den der 500-Hektar-Landwirt in den Niederlanden hat. Beide sind in puncto Wettbewerb nicht vergleichbar und darum ist es nicht richtig, dass die beiden konkurrieren. Weil der Landwirt von Marktpreisen abhängig ist, bleibt ihm oft nur, sich in der Value Chain vertikal zu diversifizieren (Marketing, Sales, Aftersales), sodass er Marketing oder Distribution auch selbst erledigt. Das ist eine Möglichkeit, auch als kleiner Landwirt zu überleben, indem man den Handel „ausschaltet“ und dessen Marge selbst lukriert. Aber natürlich kann nicht jeder Direktvermarkter werden.
David: Jeder muss sich seiner Stärken bewusst werden und herausfinden, in welcher Nische er das Beste rausholen kann. Ich glaube, dass die Zukunft der Landwirtschaft ganz wesentlich von der Jugend und deren Bildung abhängt. Es ist wichtig, dass junge Hofübernehmer eine fundierte Ausbildung haben.
Wie lebt ihr Nachhaltigkeit?
Peter: Nachhaltigkeit ist für mich, „wenn du soviel entnimmt, wie auch nachwächst.“ Durch den Wettbewerbsdruck, Effizienzsteigerung und dem Wunsch des Konsumenten billige Lebensmittel zu erhalten, hat sich eine Kuh immer mehr zur Leistungsmaschine entwickeln müssen. In den 50er Jahren gab eine durchschnittliche Kuh noch 2.500 Liter pro Jahr und heute sind es um die 7.500l. Manche Spitzenbetriebe haben eine Herde mit über 10.000 bis 12.000l Leistungsziel. Das hat aber eine Kehrseite. Man stelle sich eine Kuh als Energietank vor. Da geht die meiste Energie drauf, dass die Milch produziert wird. Da bleibt nicht mehr viel für die Gesundheit und Fruchtbarkeit der Kuh übrig. Dadurch erkrankt die Kuh früher und fällt aus dem Betrieb aus. Bei uns steht nicht Leistung, sondern Tierwohl an erster Stelle. So haben unsere Tiere täglich Auslauf im Freien und mindestens 120 Tage im Jahr, in denen sie auf die Weide können. Unsere Herde hat ein hohes Durchschnittsalter und unsere Herde ist gesund. So kann man mit gutem Gewissen Milch produzieren.