Lars Thomsen
Zukunftsforscher und Gründer der future matters AG
Was verstehen Sie als Zukunftsforscher unter Zukunftstechnologien? Was denken Sie, welche Neuerungen im technischen Bereich auf uns zukommen?
Zukunftstechnologien sind jene Technologien, die unser Leben in den nächsten zehn bis 20 Jahren verändern werden. In allen Bereichen: unser Arbeiten, unser Denken, die Art, wie wir Menschen unseren Alltag bestreiten. Aus unserer Sicht waren es fast immer neue Technologien, die auch Veränderung im gesellschaftlichen Bereich ermöglichten.
In meinem Verständnis sind Zukunftstechnologien alle Technologien, die im Moment noch in einem sehr frühen beziehungsweise jungen Stadium sind. Das sind die Dinge, mit denen wir uns in der Zukunftsforschung beschäftigen – natürlich stets mit der Ableitung, was dies für unser Leben bedeutet. Wie wird dies zum Beispiel unsere Energieversorgung, unsere Mobilität oder unsere Kommunikation beeinflussen?
Und wenn wir jetzt an die nächsten zehn Jahre denken – welche technologischen Fortschritte und Entwicklungen sind zu erwarten?
Wir werden häufig gefragt, ob wir nicht alle wichtigen Innovationen bereits hinter uns haben. Was kann denn da überhaupt in den 2020er-Jahren noch kommen? Das Spannende ist, dass wir alleine in den letzten zehn Jahren einige interessante technologische Neuerungen hatten, die unser Leben stark beeinflusst haben. Nehmen wir als Beispiel „Social Media“, was es vor zehn Jahren in dieser Form nicht gab und womit uns eine ganz andere Form der Kommunikation eröffnet wurde.
Aber wenn wir einfach mal die nächsten 500 Wochen nehmen, wird es in dieser Zeit in vielen Bereichen Durchbrüche geben – Dinge, die wir uns heute noch nicht einmal vorstellen können. Zum Beispiel: Wir werden in den kommenden Jahren immer mehr autonome Fahrzeuge haben. Dies wird eine enorme Umstellung sein, wie wir die Mobilität verstehen. Dies verändert viel im Bereich der Mobilität und der Logistik. Die Vorstellung, Mobilität auf Knopfdruck zu haben – ähnlich wie praktisch alle Musik der Welt auf Knopfdruck zu hören, was vor mehreren Jahren auch unvorstellbar war –, wird eine riesige Neuerung mit sich bringen.
Auch das Thema Robotik kommt in eine neue Phase. Wir hatten in den vergangenen 20 Jahren einen starken Zuwachs in der Produktionsrobotik. Wir haben in Fabriken Roboter eingesetzt, jetzt geht man immer mehr dazu über, diese auch im öffentlichen Leben einzusetzen. Aktuelle Beispiele wären der Pflege- oder Sicherheitsbereich. Wahrscheinlich sogar zukünftig vermehrt in vielen Haushalten, abseits der bereits bekannten Staubsaug- und Rasenmähroboter.
Insofern kann man davon ausgehen, dass die 2020er-Jahre viel Neues mit sich bringen werden. Wir gehen von sechs bis sieben größeren technologischen Durchbrüchen in den kommenden zehn Jahren aus.
Wie sieht es zukünftig in der Industrie und in der Wirtschaft aus? Kann man davon ausgehen, dass sich die tagtägliche Art zu arbeiten auch bedeutend verändern wird?
Ja, getrieben durch neue Technologien. Der größte Umbruch, im professionellen Bereich ist die vermehrte Zusammenarbeit, die mit künstlicher Intelligenz und Computern möglich wird.
Um das kurz auszuführen: Bislang war es so, dass wir lernen mussten, wie ein Computer funktioniert, um ihn benutzen zu können. Der Computer war bislang ein – um es zu überspitzen – dummes Gerät, denn er konnte nicht auf eine helfende Art und Weise mit dem Benutzer interagieren. Er konnte gut Dinge berechnen und Befehle empfangen. Bei Word zum Beispiel Wörter darstellen. Auf der nächsten Stufe im Bereich der künstlichen Intelligenz werden wir es mit lernfähigen Computern zu tun haben. Menschen, mit denen man viel Zeit verbringt, tun es, und zunehmend wird es auch in der Programmierung verwendet: Mustererkennung. Wir kommen an einen Punkt, an dem ein Computer – ähnlich wie ein Mensch – die Möglichkeit hat, täglich zu lernen, und uns dadurch viel stärker in unserem professionellen Umfeld und Wirken unterstützen kann.
Als einfaches Beispiel: Zukünftig hat man eine Besprechung und man hat seinen Computer dabei, der dem Gespräch, ähnlich einem menschlichen Assistenten, zuhört. Heute ist es oft üblich, anschließend von seinem Assistenten Feedback zu bekommen oder sich über den Verlauf des Meetings auszutauschen. Zukünftig wird künstliche Intelligenz in der Lage sein, Feedback zu geben, menschliche Verhaltensmuster zu erkennen und basierend darauf ein Coaching zu ermöglichen. Man kann davon ausgehen, dass im professionellen Bereich Assistenztätigkeiten durch künstliche Intelligenz durchgeführt werden – einen digitalen Assistenten, wenn man so will, der viele Routineaufgaben, bis hin zur Steuererklärung, erledigen wird. Wenn man bedenkt, was dies für die Einteilung von Zeitressourcen bedeutet, kann man davon ausgehen, dass zukünftig viel mehr Freiräume für Bereiche wie Kreativität und Ähnliches zur Verfügung stehen.
Viele Menschen haben Angst davor, dass ihnen dadurch ihre Arbeit abhandenkommt. Aber man muss die positiven Seiten bedenken: dass wir uns zukünftig nicht mehr mit unproduktiven Routinen beschäftigen, die am Ende des Tages nur reine Zeitfresser sind. Man muss nicht mehr freitagabends seine Reisekostenabrechnung machen, sondern kann bewusster mit Arbeitszeit umgehen – im Umkehrschluss aber auch bewusster seine Freizeit nutzen.
Vor allem in der Industrie werden mehr und mehr Arbeiten durch Roboter ersetzt. Viele Arbeitnehmer haben Sorgen, ihre Tätigkeiten an Roboter zu verlieren. Wie, denken Sie, wird sich die Arbeitsrealität für Arbeitnehmer im sekundären Sektor in Zukunft ändern?
Wir sehen diese Entwicklung als Teil des Strukturwandels. Aber diese Sorgen sind nicht neu. Als die Dampfmaschine erfunden wurde, hatten viele Menschen die Befürchtung, dass diese Maschine uns allen die Arbeit wegnehmen werde. Damals war Muskelkraft Hauptbestandteil von dem, was man gemeinhin als Arbeit verstanden hat – egal ob als Schmied oder als Feldarbeiter.
Viele der Jobs, die heute noch von Menschen gemacht werden, werden in Zukunft durch Roboter erledigt. Nehmen wir als banales Beispiel den Supermarkt: Es muss gescannt werden, es müssen Regale nachgefüllt werden. Dies sind Aufgaben, die in fünf Jahren Roboter mindestens genauso gut ausführen können, ohne dafür Lohn zu beziehen oder Freizeit zu benötigen.
Aber um zum Punkt zu kommen: Ja, wir werden viele heutige Tätigkeiten an Robotik und neue Technologien verlieren. Allerdings wird uns die Arbeit deswegen nicht ausgehen. Wir werden Arbeit in den kommenden Jahren anders definieren. Es wird weniger darum gehen, ob man seine physische Anwesenheit am Arbeitsplatz für 40 Wochenstunden dokumentieren kann, sondern es wird zukünftig mehr um Talente gehen.
Es gab noch nie eine Zeit, in der sich so viel verändert hat. Diejenigen, die es schaffen, dies nicht als etwas Schlimmes zu verstehen, sondern sich anzupassen, werden dies auch gut meistern können. Mit Zukunftspessimismus hat man noch nie etwas gewinnen können – alles in allem eine unglaublich spannende Zeit.
Was würden Sie den Österreichern abschließend gerne mitgeben?
Wir leben in einer Zeit der Veränderung, und der einfachste Weg, Teil dieser Neuerung zu sein, ist es, neugierig zu bleiben. Einfach mal auf Neuerungen zugehen und diese ausprobieren. Wir müssen in jedem Bereich offen für Neues sein und uns immer wieder zu neuen Erfahrungen zwingen.