Mag. Peter Engert
Geschäftsführer der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft
© Foto: Christian Kalser
Der Green Deal der EU wird zum Gamechanger in der Immobilienbranche. Peter Engert, Geschäftsführer der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft, erklärt, warum für private und öffentliche Entscheidungsträger(innen) kein Weg mehr am nachhaltigen Bauen vorbeiführt.
Klimawandel und Ressourcenknappheit haben dazu geführt, dass Nachhaltigkeit in aller Munde ist. Aber was bedeutet das für private wie öffentliche Bauvorhaben? Wie ist es um den Status quo in Österreich bestellt?
Nachhaltigkeit war bisher eine Ausprägung bei Immobilien, die freiwillig, aus einer persönlichen Einstellung der Projektentwickler und Bauherren heraus realisiert wurde. Die Verwendung gesunder Baustoffe, die Eignung für Wiederverwendung bzw. Recycling, energiesparende Architektur und Gebäudetechnik, Klimaresilienz und vor allem soziale Nachhaltigkeit als Basis für das Wohlbefinden der Menschen zeichnen seit jeher großartige Immobilienprojekte aus. Investoren mit Weitblick investieren schon lange ausschließlich in nachhaltige Projekte. Mit der heurigen Realisierung des Green Deals der EU ist Nachhaltigkeit keine bloße Option mehr. Sie ist zum risikorelevanten Faktor bei Investitionen und Finanzierungen geworden. Die für Finanzinstitute verpflichtende EU-Taxonomie drängt Finanzierungen in Richtung Nachhaltigkeit. Wer seine Immobilienprojekte günstig refinanzieren oder einen guten Verkaufspreis erzielen will, muss den Anforderungen der Taxonomie gerecht werden – damit ist die Frage, ob in Nachhaltigkeit investiert werden soll, mit einem klaren Ja zu beantworten, die Frage nach dem „Wie“ ist gestaltbar.
Die Digitalisierung hat alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche erfasst. Welche Rolle spielt sie für das nachhaltige Bauen?
Erst mit der Digitalisierung wird Nachhaltigkeit nachvollziehbar. Da Nachhaltigkeit als risikorelevant für den wirtschaftlichen Erfolg eines Projekts eingestuft wird, ist die Zeit von Marketinggags, bunten Plaketten und inhaltslosen Hochglanz- Broschüren vorbei. Banken und Investoren verlangen „Beweise“ für die Nachhaltigkeit. Das große Thema, vor allem bei Bestandsgebäuden, ist die Beschaffung der nötigen Daten: Woher bekomme ich Informationen zum Energie- und Wasserverbrauch? Wie können Einsparungen nachverfolgt werden? Wie funktioniert das Abfallmanagement? Wie schützen wir die Umwelt? Wie stellen wir Wiederverwendung und Recycling der Baustoffe sicher? Hier kann eine sinnvolle Digitalisierung und Protokollierung helfen, die relevanten Daten beweisbar und leicht nachvollziehbar bereitzustellen.
Ist bereits absehbar, wie nachhaltige Bauvorhaben aussehen werden? Ist das alleinig eine Frage der Materialwahl?
Nachhaltigkeit entwickelt sich ständig weiter. Die kommenden Entwicklungen betreffen neben der fortschreitenden Digitalisierung vor allem die Kreislaufwirtschaft. Wir werden zukünftig unseren Rohstoffverbrauch kräftig senken müssen. Das bedeutet Wiederverwendung, Reparaturen und Recycling statt Abfalldeponie. Gebäude müssen so konzipiert werden, dass sich damit lange Nutzungsperioden erzielen lassen. Dabei ist Flexibilität ein Gebot der nächsten Zeit, um alternative Nutzungsszenarien in einem Gebäude zu ermöglichen, beziehungsweise nicht von vornherein auszuschließen. Alternative Baustoffe sind im Kommen, Lehm, Holz, re- und upgecyceltes Material werden Verwendung finden und das am besten ohne lange Transportwege.
Wie können sich private und öffentliche Bau- und Entscheidungsträger(innen) bereits jetzt auf diese vielfältigen Herausforderungen vorbereiten?
Stellen wir die Menschen und Gebäudenutzer in den Mittelpunkt. Wenn sich die Menschen wohlfühlen, ist garantiert, dass Gebäude lange bestehen bleiben, regelmäßig saniert werden und nicht leer stehen. Lang bestehende Gebäude sind der beste Klima-und Ressourcenschutz. Das gilt für Bauträger ebenso wie für Bürgermeister.
Was würden Sie Entscheidungsträger(inne)n mit auf den Weg geben?
Nachhaltigkeit rechnet sich, und zwar auf allen Ebenen. Jetzt ist die Zeit, nachhaltige Gedanken in Projekte zu verwandeln.