Mit gewaltigen Bauprojekten will China seine Rolle als Weltmacht ausbauen und den Güterverkehr revolutionieren. Heimische Unternehmen können davon profitieren, sofern sich Österreich als Logistik-Hub positioniert.
Ing. Mag. Rainer Will
Geschäftsführer Handelsverband, Board of Directors EMOTA
2013 verkündete die Regierung der Volksrepublik China ein
atemberaubendes Projekt: den 500 Milliarden Dollar schweren Ausbau der
internationalen Verkehrsinfrastruktur zur Förderung des Handels zwischen
Asien und Europa. Getreu dem Motto „One Belt, One Road“ sollten zwei
neue Seidenstraßen errichtet werden – eine auf dem Seeweg, die andere zu
Lande über Bahnverbindungen auf 11.500 Kilometern Länge.
Präsident Xi Jinping hielt Wort. Seit Jahren bauen chinesische Ingenieure mit Geld aus Peking unzählige neue Eisenbahnlinien, Straßen, Häfen und Industrieparks in Asien, Europa und Afrika. 57 Länder und Regionen sind beteiligt, auch Österreich hat sich für 500 Millionen Dollar ein Mitspracherecht bei Projektvergaben gesichert. Nebeneffekt: Überall, wo derart gebaut wird, vervielfachen sich auch die Güterimporte aus China.
So hat sich der auf der Schiene abgewickelte transeurasischen Güterhandel zwischen 2014 und 2017 verfünffacht. Gehandelt werden Smartphones samt Billig-Zubehör, TV-Geräte, Sneakers und andere Lifestyle-Konsumgüter, von denen die kaufkräftigen europäischen Konsumenten nicht genug bekommen können.
Ungelöste Probleme: Produktpiraterie und Steuerumgehung
Für unsere Handelsbranche bedeutet das eine Umwälzung. Wenn AliExpress über die Seidenstraße liefert, wartet der Kunde in Österreich künftig nicht mehr vier Wochen auf sein Paket, sondern nur noch zwei. Das befeuert die Dynamik am Markt und verringert einen der letzten Wettbewerbsnachteile, den die Asiaten gegenüber der europäischen Konkurrenz noch haben. Hinzu kommt die ungelöste Steuerumgehungs- und Produktpiraterie-Problematik. 2017 gelangten 560 Millionen Pakete im Cross-Border-Handel über dominante chinesische Versandhändler in die EU, davon rund sechs Millionen nach Österreich.
97 Prozent dieser Sendungen kommen gänzlich zoll- und mehrwertsteuerfrei nach Europa, weil Freigrenzen ausgenutzt oder mit kriminellen Falschdeklarationen umgangen werden. Dem Fiskus entgehen Millionen an Steuereinnahmen, gleichzeitig werden heimische Händler aus dem Markt gedrängt. Das Schadensausmaß liegt hierzulande bei mehr als 120 Millionen und europaweit bei sieben Milliarden Euro. Der österreichische Zoll wiederum hat 2017 fast 250.000 gefälschte Produkte im Wert von mehr als 13,7 Millionen Euro beschlagnahmt. Der Konsument trägt das volle Risiko, den vorab entrichteten Kaufpreis nicht mehr zurückzuerhalten.
Höchste Zeit, sowohl die chinesischen Online-Händler als auch die führenden Plattformen wie Amazon stärker in die Pflicht zu nehmen. Nur so können die Chancen aus dem Ausbau des Logistiknetzes über die Seidenstraße volkswirtschaftlich genutzt werden. Österreich sollte hier analog zu Deutschland vor einzelstaatlichen Schritten nicht zurückschrecken, um für faire Spielregeln zu sorgen. Dazu gehört auch ein Ende der Bevorzugung Chinas im Weltpostvertrag. Aktuell können chinesische Onlinehändler ihre Pakete zu stark reduzierten Versandpreisen in die EU schicken, da China zu den Entwicklungs- und Schwellenländern gezählt wird.
Produkte „Made in Austria“ als Exportschlager
Allen Herausforderungen zum Trotz darf die heimische Wirtschaft auf positive Effekte der Belt-and-Road-Initiative hoffen. So könnten die bisher bestätigten Infrastrukturmaßnahmen das österreichische BIP um 130 Millionen Euro erhöhen – durch gesteigerte Exporte aufgrund chinesischer Investitionen auf dem Balkan, die eine stärkere Nachfrage nach österreichischen Produkten bewirken.
Auch China selbst ist für Österreich ein Zukunftsmarkt. Aktuell liegt das Reich der Mitte in der österreichischen Importstatistik mit 8 Milliarden Euro auf Platz drei. In der heimischen Exportwirtschaft liegt China mit einem Volumen von 3,3 Milliarden Euro an zehnter Stelle – mit Luft nach oben. So soll sich der bilaterale Außenhandel Chinas mit der EU im nächsten Jahrzehnt mit +80 Prozent weit dynamischer entwickeln als etwa der Handel mit den USA (+30 Prozent).
Von der Seidenstraße könnte
hierzulande vor allem die Maschinen- und Nahrungsmittelindustrie
profitieren, denn hochwertige Produkte „Made in Austria“ sind ein
Exportschlager. Österreich kann mit seiner erstklassigen Infrastruktur
und seiner Lage im Herzen Europas aber auch als logistisches Drehkreuz
fungieren. Der Handelsverband unterstützt über die
Cross-Border-Initiative gateway2asia mittelständische Händler bei der
Eroberung neuer Märkte in Fernost.